Love Sick
(30.12.2013 +
02.01.2014)
Ein dumpfer Schmerz wuchert durch die Dunkelheit ihres
Schlafes und weckt ihre Lebensgeister. Das Dröhnen in Levys Kopf nimmt stetig
zu, wird lauter. Der Schmerz klopft in ihren Ohren und macht es für sie
unerträglich weiter zu schlafen.
Mühsam und mit zitternden Lidern, versucht sie ihre Augen zu
öffnen. Sie schafft es nur einen schmalen Spalt weit, ehe sie aufgibt und es
fürs Erste sein lässt. Ihr Kopf schmerzt und sie schafft es nicht ihre Gedanken
einzufangen. Es fühlt sich an, wie ein Kater nach einem, für Fairy Tail
typischen, Gilden-Saufgelage.
Levy trinkt so gut wie nie Alkohol, weil sie ihn nicht mag
und auf die Nachwirkungen am nächsten Tag sehr gut verzichten kann. Ab und zu
kommt es jedoch trotzdem vor dass es Cana gelingt, ihr etwas unterzuschieben.
Da Levy nicht mal annähernd trinkfest ist, sind die Auswirkungen enorm und der
Brummschädel am nächsten Tag dementsprechend dick. Genau so ein Gefühl hat sie
im Moment und doch ist es nicht das Selbe. Es ist anders…
Noch nie waren ihre Gedanken nach zu hohem Alkoholkonsum so
undurchsichtig, so „nicht vorhanden“ wie dieses Mal. Sie konnte sich zumindest
immer an das erinnern, was vor ihrem Black-out passiert ist. Dieses Mal ist
alles verschleiert.
Plötzlich ist da ein heftiges Gefühl in ihr. Ihr Herz
beginnt zu rasen und scheint das Pochen in ihren Ohren zu übertönen. Levys
Atmung erhöht sich und der Wunsch vor etwas davon zu laufen appelliert wieder
an ihre Lebensgeister endlich aufzuwachen.
„Wach auf… wach auf… ich muss aufwachen…“, ruft es in ihr
und sie hört ihre eigene Stimme dabei. Mit angestrengtem Gesichtsausdruck
pendelt sie zwischen erlösender Traumwelt und Wachwerden hin und her, ehe der
Schmerz in ihrem Kopf so stark wird, das sie einfach aufwachen muss.
Schwach und müde öffnet sie ihre Augen und versucht etwas zu
sehen. Aber es ist alles verschwommen und dazu auch noch dunkel. Sie versucht
sich zu bewegen, aber es geht nicht. Der erneut ansteigende Druck in ihrem Kopf
ringt ihr ein wehklagendes Ächzen ab, ehe sie den Versuch, sich aufzurichten,
erneut aufgibt.
Erst nach einer Weile wird ihr Geist etwas wacher und doch
kann sie ihre Gedanken nicht fassen. Zumindest schafft sie es schon ihre Augen
zu öffnen und auch etwas offen zu halten. Sie blickt an eine Zimmerdecke, die
sie nicht kennt. Sie ist aus dunklen Holzdielen gefertigt. Sie spürt etwas
Kratziges und Festes um ihre Handgelenke. Der erneute Versuch sich zu bewegen gelingt
und sie kippt etwas mehr zur Seite. Ihr Gesicht landet in einer, mehr oder weniger
weichen, Decke.
Erst jetzt registriert sie all ihre anderen Schmerzen. Im
Grunde fühlt sie sich zerschlagen, als wäre sie einen tiefen Abgrund hinunter
gefallen und hätte sich zig Knochenbrüche zugezogen. Ihr ganzer Körper scheint
ein einziger Schmerz zu sein.
Erschrocken und doch fast gleichgültig stellt sie fest, das
man ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt hat. Panik durchfährt sie und lässt
ihren Herzschlag erneut ansteigen. „Jet…? Droy…?“ fragt sie sich in Gedanken.
Sie erinnert sich, dass sie mit ihrem Team von einer Mission
zurückgekommen war. Sie hatten sich noch kurz unterhalten, anschließend verabschiedet
und getrennt. Die beiden wollten sie bis zu den Toren von Fairy Hills
begleiten, aber sie hatte verneint. Sie wollte sich nur schnell frisch machen,
ehe sie sich in der Gilde wieder treffen würden, um bei Mirajane Bericht zu
erstatten. So trennten sich ihre Wege und sie ging den Weg über die Waldseite
zu Fairy Hills.
Das Nächste, an das sich Levy erinnern kann, waren
raschelnde Blätter hinter ihr und der Schrecken der sie heimsuchte, während sie
zu dieser Geräuschquelle herumfuhr und nur diesen schwarzen Schatten auf sich
zuspringen sah. Es folgten ein dumpfer Schlag, ein leises Knacken und ein
stechender Schmerz, ehe alles in Finsternis tauchte und sie mit sich riss wie
ein fallendes Blatt.
Ein leises Keuchen, erfüllt von Panik und Verzweiflung,
entrinnt ihrer Kehle als sie realisiert dass man sie entführt hat. „W… wer? W…warum…?
Jet… Droy…“, beginnt es in ihrem Kopf zu rufen. Die Ungewissheit ob ihre beiden
Teamkollegen auch geschnappt wurden oder ob sie hoffentlich unversehrt sind,
beherrscht ihre Gedanken und da ist wieder dieser Schmerz. Ihr Blickfeld
verschwimmt und ihre Gedanken verflüchtigen sich, als wieder alles in diese
Finsternis stürzt und die Kräfte sie verlassen.
Die beschlagenen Hufe des Tieres preschen mit klappernden
Lauten über den steinigen Weg. Schaumfetzen spritzen dem Pferd vom Maul und
besprenkeln sein dunkles Fell an Brust und Schultern. Mit einem „Heyah!!“, treibt
Gajeel den Braunen des Einspänners zu seiner Höchstleistung an und peitscht mit
den Zügeln.
„Verflucht… ich könnt kotzen…“, tobt es in ihm, während er
versucht seine Augen offen zu halten. Seitdem er bemerkt hat, dass er genauso transportmittelkrank
ist wie Natsu, hat er zwar angefangen dagegen anzugehen und es sich
abzutrainieren, aber dieses Vorhaben ist nicht gerade mit Erfolg gekrönt wie er
bemerkt. Ohne Lily an seiner Seite ist er leider auf solche Alternativen
angewiesen, um schnell von A nach B zu kommen.
Oder es liegt an der gesamten Situation, die ihm die Galle
hochkommen lässt. Die Situation ist, wie es schon so oft in seinem Leben der
Fall war, verfahren und heikel. Er gibt sich selbst die Schuld dafür. Er hätte
es eigentlich besser wissen müssen! Nun ist wieder mal alles in der Schwebe,
was er sich aufgebaut hat und ja… was ihm etwas bedeutet.
Seit den Großen Magischen Spielen hat er zusehends bemerkt
wie er immer mehr und mehr seine Wachsamkeit abgelegt hat. Er hat sich zu oft
dabei ertappt, wie sorglos er umhergegangen war und sich hat gehen lassen. Es
war aber auch zu verlockend gewesen.
Durch den Sieg im Turnier war die Gilde wieder an die
Position der Besten Gilde Fiores gerückt und sie brauchten keine Gegner oder
Konkurrenten mehr fürchten. Sie konnten sorglos Aufträge annehmen, sie
erledigen und ihren Spaß haben. Feste feiern und neue Herausforderungen
anstreben.
Die Bedrohung von einst, in die er selbst mehr als jeder
andere verstrickt war, geriet in Vergessenheit. Auch er hat sie gekonnt verdrängt
oder einfach vergessen, weil sie als „aufgehoben“ galt.
Bei den Magischen Spielen wurde das Team von Raven Tail
disqualifiziert weil sie gegen die Regeln verstoßen hatten. Später hieß es, die
Gilde sei aufgelöst worden und niemand verschwendete mehr einen Gedanken an
Ivan und seine düstere Gefolgschaft.
Jetzt sind sie zurück… und sie sind boshafter und
unberechenbarer als jemals zuvor. Schon aus dem Grund weil Gajeel nichts mehr
über sie weiß. Früher, als Spion in deren Reihen hatte er einen Überblick was
die Gilde tat und was nicht… was ihre Mittel waren. Nun hat er kaum
Informationen, außer die Tatsache das sie vor nichts zurückschrecken würden um
ihre Ziele zu erreichen. Den Fall von Fairy Tail!
„Scheiße!“, flucht er knirschend, als der Einspänner bei
einer der Kurven der unwegsamen Straße fast aus der Bahn geschleudert worden
wäre. Ein Zeichen für ihn das Tempo etwas zu reduzieren, ehe ihm auch noch das
Pferd im Gespann eingehen würde.
Er atmet erleichtert aus, als sich der Wagen stabilisiert hat
und unterdrückt im nächsten Moment einen Würgereiz. „Bloß nicht dran denken…“,
nimmt er sich vor und lässt seinen Blick kurz nach oben in den mit Wolken
behangenen, Nachthimmel wandern. Er sollte sich lieber auf den Weg
konzentrieren, anstatt ständig daran zu denken, dass ihm speiübel ist. Es hängt
zu viel von seinem jetzigen Auftrag ab.
Schlagartig senkt sich sein Blick starr auf den Weg vor
sich, ehe er das Pferd etwas bremst und es langsam über eine knarrige Brücke
gehen lässt. Der ruhige Takt der beschlagenen Hufe auf dem Holz lässt seine
Müdigkeit an ihm empor kriechen wie Unkraut. Er hat seit zwei Tagen nicht
geschlafen. Es musste alles schnell gehen als Raven Tail sich bemerkbar gemacht
und ihre Zeichen gesetzt hat.
„Tu was nötig ist!“, hallen Makarovs Worte noch immer in
seinen Gedanken wieder. Nachdem Raven Tail in Aktion getreten war, führten sie
eine deutliche und klare Beredung unter vier Augen. Gajeel musste eine
Entscheidung fällen. Es fiel ihm schwer, aber es erschien ihm die einzige Möglichkeit
zu sein. „Egal was… tu was nötig ist! Du
hast freie Hand!“, hatte der Meister ihm abermals zugeredet, weil er bei seiner
Entscheidung zögerte. Gajeel hat sich entschieden… Es sind diese Art von
Entscheidungen, die schnell erfolgen müssen. Entscheidungen, von denen er nicht
weiß ob sie richtig sind oder falsch. Das wird sich erst zeigen…
Es herrscht absolute Ausnahmesituation… Krieg… und er hatte
keine Zeit sich auf irgendetwas vorzubereiten. Irgendetwas zu planen… er
handelt einfach. So wie sein einzig wahrer Meister, zu dem er aufsieht wie zu
keinem anderen, es ihm aufgetragen hat. „Tu was nötig ist!“, diese Aussage
würde ihn noch oft in dem bestärken was er tut oder tun muss.
Denn Gajeel würde tun was nötig ist, alles. Bedingungslos
alles…
Im Moment weiß er nicht mal was zwischen den Fronten los
ist, doch das ist jetzt unwichtig. Er weiß nur eines und davon würde ihn
niemand abhalten: Er muss so schnell wie möglich zurück!
Als der Wagen die Brücke endlich verlassen hat, lenkt er das
Tier in einen Seitenweg und treibt es wieder vorwärts. Er setzt seinen Weg
fort, so schnell er kann und nur mit einem Ziel vor Augen. Sein glühender Blick
huscht dabei immer wieder in den Himmel, um nach schwarzen Vögeln Ausschau zu
halten.
Auf Zehenspitzen stehend, versucht Levy durch einen Spalt
der Holzdielen zu schauen, um zu sehen wo sie sich befindet. Alles was sie
sieht sind spitze Baumwipfel, ein paar hohe Felsen oder Berge und Grün. Es ist
alles grün. Dunkelgrün. Wie Nadelwald und nördliche Tundra. Zumindest kann sie
die Sonne sehen. Laut ihrem Stand muss seit ihrem letzten Erwachen die Nacht
und mindestens ein halber Tag vergangen sein.
Ihr Entführer ist inzwischen bei ihr gewesen und hat ihre
Fesseln gelöst. Als sie vor wenigen Momenten aufwachte, waren die Seile
zumindest verschwunden und sie war mit einer dünnen Decke zugedeckt. Sie hatte
es nicht mal annähernd bemerkt, so tief hatte sie geschlafen. Oder man hatte
ihr im Schlaf irgendetwas eingeflößt, damit sie so tief geschlafen hat.
Ihr Kopf pocht noch immer schmerzhaft und ein erneut
aufkommendes Schwindelgefühl lässt sie zurück in einen normalen Stand sinken,
ehe sie sich kurz am Fensterbrett abstützt. Als sie vorhin aufgewacht war, war
sie zuerst in Panik. Eine Zimmerdecke und ein Zimmer, das sie nicht kannte. Sie
hat einige Zeit lang gelauscht ob noch jemand hier war. Nach einer ganzen Weile
hatte sie den Verdacht allein zu sein. Levy hatte zuerst angenommen, das der
Entführer nicht weit sein kann, wenn er ihr schon die Fesseln abnimmt.
Es hat sie große Überwindung gekostet, sich aufzusetzen und
ihre Beine aus dem Bett zu schwingen. Des Weiteren war ihr schlecht und Schwindlig,
was ihr zusätzlich die Motivation nahm. Das Zimmer in dem sie sich gerade
befindet, ist klein und dient wohl nur als Schlafraum für eine Person. Es könnte
noch ein zweites Bett darin Platz finden, wenn man den verstaubten Tisch
beiseite stellen würde. Es sind sogar Vorhänge am Fenster, auch wenn diese
etwas ausgebleicht und alt sind. Das Fenster selbst ist zugenagelt. Von außen
natürlich. Nur ein paar kleine Ritzen und Astlöcher sind ihr aufgefallen, durch
die sie etwas Tageslicht sehen kann und die den Raum ein kleinwenig aufhellen.
Es ist also Tag. Das ist ja schon mal nicht ganz so schlecht.
Nur langsam löst sich Levy von der Stelle am Fensterbrett
und steuert auf die einzige Tür im Zimmer zu. Würde sie der Entführer auf der
anderen Seite erwarten? Zögerlich streckt sie ihre Hand nach der Türklinke aus
und lässt sie ein paar Atemzüge darauf ruhen. Vermutlich würde die Tür ohnehin
abgesperrt sein.
Als sie die Klinke trotzdem runter drückt, ertönt ein lautes
Quietschen und die Tür geht tatsächlich auf. Ungläubig, starrt die Magierin auf
die nun offene Tür und holt einmal tief Luft, ehe sie die Tür einen Spalt weit
aufmacht. Ganz vorsichtig lugt sie mit einem Auge durch den Spalt und blickt in
einen Wohnraum. „E…es ist niemand da?“, fragt sie sich, als sie niemanden sieht
und auch niemanden hört. Mit einem Schlucken öffnet sie die Tür nur so weit,
dass sie hindurch schlüpfen kann. Sie lässt die Klinke nicht los, um sich im
Notfall schnell hinter der Tür wieder in Sicherheit zu bringen.
Zeitgleich beginnt sie sich zu fragen, wer um Himmels Willen
sie nur entführt haben könnte? Wer könnte von ihr etwas wollen? Sie hat nichts
in ihrem Besitz, das für jemanden dienlich sein könnte. Und für sie Lösegeld
einzufordern steht auch nicht zur Debatte. Zudem würde noch kommen, dass sich
der Entführer gleich mit der gesamten Gilde Fairy Tail einlässt und so selbstmörderisch
kann man nicht veranlagt sein.
Levy weiß… man würde sie befreien kommen. Irgendjemand. Zu
allererst würden Jet und Droy durchstarten. „Jet… Droy… ich hoffe, es geht euch
gut…“, denkt sie nun wieder auf. Sie weiß nicht ob sie auch entführt wurden
oder ob man es nur auf sie abgesehen hatte.
„Man sucht bestimmt schon nach mir…“, schlussfolgert sie,
auch um sich selbst etwas zu beruhigen. Wenn ihre Abschätzung stimmt, sind
wirklich die ganze Nacht und ein halber Tag vergangen und das ist bestimmt
jemandem aufgefallen. Als Erstes im Wohnheim, denn dort läuft man sich zur abendlichen
Stunde immer noch mehrmals über den Weg, ehe man sich zur Bettruhe begibt. „Ja…
es wird bestimmt schon nach mir gesucht… es kann nicht mehr lange dauern und
ich bin hier raus…“, versucht sie sich gut zuzureden.
„Was… wenn ich dann schon längst nicht mehr hier bin?“,
beginnt sie plötzlich. Der Gedanke, dass es sich hier nur um ein
„Zwischenlager“ für sie handeln könnte, kommt ihr zumindest. An der einen Seite
des Zimmers fallen ihr viele gestapelte Kisten ins Auge. Nicht unweit davon
befindet sich eine Art kleine Kochnische mit verkohlter Feuerstelle. Auf Levy
macht es den Eindruck, als hätte hier schon länger keiner mehr gewohnt oder
zumindest geputzt. Der Tisch und die etwas verzogene Kommode weisen starke
Staubablagerungen auf.
Mit weiten und hastigen Schritten ist Levy an der Tür, die
sich gleich neben der Kommode befindet. Laut ihrer Vorstellung einer normalen
Hütte, denn das hier ist nichts anderes als eine Hütte, kann es sich hierbei
nur um die Tür handeln die nach Draußen führt. In die Freiheit! Ein stechender
Schmerz entbrennt in ihrem Kopf, als sie an der Tür ist und einfach die Klinke
nach unten drückt.
Ihre Hand verkrampft sich um die Türklinke und tiefe
Schatten fallen in ihr Gesicht. Ihre Lippen pressen sich zu einem schmalen und
blutleeren Strich zusammen. „Zu…“, flüstert sie mit sich selbst und eigentlich
hatte sie es schon geahnt. Sie schluckt ein verzweifeltes Schluchzen hinunter,
ehe sie sich strafft und von der Tür ablässt.
„Sie… suchen bereits nach mir…“, redet sie auf sich ein und
wendet sich von der Tür ab. Auch wenn sie daran glaubt, es hofft, dass man
bereits nach ihr sucht, will sie selbst nicht untätig bleiben. Vielleicht kommt
sie hier irgendwie allein raus. Und wenn es Draußen wirklich hell ist, hat sie
gute Chancen vielleicht einen Weg zu finden um hier weg zu kommen.
„Solid Script: Hole!!“, ruft sie aus und zeigt auf die Tür
um dort ein Loch entstehen zu lassen. Aber es passiert nichts. Die Magie
sammelt sich nicht mal an ihrer ausgestreckten Hand und mit Schockgeweiteten
Augen starrt sie erst auf die Tür und dann wieder auf ihre Hand. Ihre zierliche
Hand beginnt zu zittern. „Verstehe… irgendein Aufhebungszauber…“, knirscht sie
in sich hinein und senkt ihren Blick gen Boden. Jemand muss außerhalb der
Hütte, oder direkt um diese herum, eine Barriere aus Runen errichtet haben.
Oder ein Mechanismus mit speziellen, Magie neutralisierenden, Lacrima. Levy hat
irgendwo einmal gelesen, das es solche Lacrima gibt. Wie man sie entschärft,
hat sie bis heute nicht nachgelesen, was sie nun bereut. Davon abgesehen,
müsste sie diese erst finden, wenn es sich überhaupt darum handelt. Eines weiß
sie allerdings mit Sicherheit: Ohne Magie hat sie keine Chance hier raus zu
kommen. Es sei denn, sie findet irgendwo eine Brechstange und hat auch die körperliche
Kraft dazu sie zu gebrauchen.
Ihre Tasche, die sie immer bei sich hat, ist auch spurlos
verschwunden. Sie vermutet dass der Entführer sie entweder achtlos am Tatort
hat liegen lassen, sie verloren, oder sie ihr weggenommen hat. Ihre Tasche… was
würde Levy nun geben um ihre Tasche bei sich zu haben? Mit dem Buch, das sich
darin befindet, würde sie vielleicht eine Lösung für ihr Problem finden. Oder
vielleicht könnte sie ihre Kontakt-Karte verwenden, um jemanden aus der Gilde
zu erreichen. Wie sie auch darüber nachdenkt, es ändert nichts an der Tatsache,
dass sie sich im Moment vollkommen mittellos hier ausgeliefert fühlt.
Ein unwirscher Laut entfährt ihr, als sie sich von der Tür
abwendet und sich den Kisten neben der Kochnische zuwendet. Sie öffnet die erste
und findet Konservendosen darin vor. In einer anderen findet sie Kartoffeln und
noch mehr Konservendosen. Wieder in einer anderen befindet sich neben
Lebensmitteln auch ein klein wenig Geschirr.
Levy bricht ihre Suche ab. Bei allen Kisten scheint es sich
nur um Vorräte zu handeln. Anhand der Menge scheint man sie wohl länger hier
festhalten zu wollen, stellt sie fest. Oder sie würde noch Gesellschaft
bekommen. Oder man würde sie mitsamt den Lebensmitteln irgendwo anders hin
verfrachten. Irgendwo hin, wo sie niemand mehr findet.
„Hör auf… hör auf… hör auf…“, fasst sie sich an den Kopf.
„Es wird alles gut…“, redet sie mit sich selbst. Sie versucht sich von einer
Panik-Attacke abzulenken und atmet ein paar Mal tief durch. „Jet und Droy sind
bestimmt schon auf dem Weg… und Natsu… und Lucy… und bestimmt auch Gajeel…“,
zählt sie auf und hält kurz inne. „Nein, Gajeel nicht. Der ist auf Mission…“,
seufzt sie leise. „Wie er wohl reagieren würde? Vermutlich ist es ihm egal…“,
denkt sie sich.
Sie hat den Dragon Slayer schon eine Weile nicht gesehen.
Wenn er mal in der Gilde war, war er gleich wieder verschwunden und auch
allgemein wirkte er etwas gehetzt, rastlos und genervt. In den letzten Tagen
war er zudem auch noch ziemlich launisch und sogar sie hat oft lieber davon
abgesehen ihn anzusprechen. Er machte den Eindruck auf sie, als ob er
irgendwelche Schwierigkeiten hatte. Levy verfällt einem kurzen Ärger weil er
seine Probleme immer nur alleine lösen will. Er ist einfach zu stolz was das
angeht, meint sie. Der Meister hatte ihr vor Längerem schon mal gesagt, dass
man Gajeel oft am besten in Ruhe lässt wenn er so drauf ist. Sie hat sich immer
an diesen Rat gehalten. Der Meister schien auf alle Fälle immer mehr zu wissen
als Andere.
Ein tiefes Seufzen quält sich aus Levys Kehle, ehe sie ihre
Gedanken auf ihr eigenes Problem zurück lenkt. Sie muss irgendeinen Ausweg hier
finden. Kurz linst sie zum Kamin, aber das verwirft sie noch ehe sie den
Gedanken überhaupt fertig gedacht hat. Sie entschließt sich, sich zuerst einen
Gesamtüberblick über die Hütte zu verschaffen.
Es gibt ein Zimmer, nämlich jenes in dem sie sich befand.
Jetzt befindet sie sich im Wohnraum der mit Kochstelle, einem Tisch, zwei
Stühlen und einer Kommode bestückt ist. Zu ihrer rechten, zwischen Kochstelle
und der Tür zu dem Zimmer mit Bett, fällt ihr ein ganz kleiner Gang auf, der
sie zu einer weiteren Tür führt.
Hinter dieser Tür findet sie ein kleines Bad. Eine Toilette,
eine kleine Wanne und ein Waschbecken. Alles, wie der Rest der Hütte, nicht
geputzt. Der Spiegel ist so beschlagen dass sie sich nicht mal klar sehen kann
und hat einen Sprung. Kurz dreht sie am Wasserhahn und es kommt nach einigen
Luftstößen endlich Wasser aus der Leitung. Levy hat unglaublichen Durst, aber
sie wagt nicht das Wasser zu trinken. Wer weiß woher es kommt, zudem sieht es
etwas verschmutzt aus. So dreht sie den Wasserhahn wieder zu und ihr Blick
fällt auf eine weitere Kiste. Die Kiste sieht genauso aus wie die im Wohnraum.
Als sie sie vorsichtig öffnet, ist sie deutlich erstaunt. Seife, Haarshampoo
und sogar Hygieneartikel befinden sich darin. Welcher Entführer denkt an
Hygieneartikel?! Es sei denn, es ist einer der sich auf leichte Art eine Frau
hinter den Herd stellen will.
„Oh mein Gott…“, entfährt es Levy, ehe sie die Lasche des
Kartons ruckartig loslässt und ein paar Schritte davon zurück prallt. Panik
beginnt in ihr zu wuchern und zu wachsen. Sie kann ein verzweifeltes Aufwimmern
nicht unterdrücken und wischt sich fahrig über die Stirn, vergräbt ihre Finger
in ihren blauen zerzausten Haaren. „Mein Gott… bitte… bitte nein…“, stammelt
sie und schluckt einen großen Klos in ihrem Hals hinunter.
Levy schließt ihre Augen und zwingt sich ruhig zu atmen. Sie
darf sich nicht von dieser Verzweiflung einnehmen lassen. Sonst kann sie nicht
mehr klar denken und findet keinen Ausweg. Irgendetwas muss sie tun. Sie will
nicht als Opfer eines Sexualverbrechers oder lebenslange Liebes-Ehe-Sklavin
enden.
Ein lautes Poltern reißt sie aus ihren Gedanken und lässt
ihren Atem stocken. Eher aus Reflex legt sie beide Hände auf ihren Mund, um
bloß keinen Ton von sich zu geben. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie
erschrocken Richtung Badezimmertür und unterdrückt ein panisches Aufkeuchen.
Ganz kurz ist es still und dann ist da wieder ein Poltern. Als sich jemand an
der Tür zu schaffen macht, weiß sie dass es nur der Entführer sein kann.
Ihre Augen fliegen panisch im Badezimmer umher. Was soll sie
tun? Was wird er tun wenn er sie hier findet? Soll sie zurück ins Zimmer laufen
und sich schlafen stellen? Ihre braunen Augen bleiben an einem Wischmopp
hängen. Putzzeug… die Hütte strotzt vor Staub und hier seht das Putzzeug!
In Windeseile hat sie sich den Wischmopp geschnappt und den
Stiel aus dem Mopp gedreht. Ein bloßer Holzstock ist besser als gar keine
Waffe! Zumindest wenn man keine Magie anwenden kann. „Vielleicht hab ich ja
Glück und er ist kein starker Magier… wenn er überhaupt einer ist… davon
abgesehen kann er bei dem Aufhebungsszauber auch keine anwenden…“, tobt es
hinter Levys Stirn, während sie sich hinter der Tür kampfbereit hinstellt und
den Stil in Angriffstellung bringt.
Sie unterdrückt ihre Atmung, versucht so flach und vor allem
lautlos zu atmen wie nur irgendwie möglich. Es poltert ein paar Mal noch vor
der Tür und dann meint sie das Schnappen von Schlössern zu hören. Die Tür
öffnet sich quietschend und harte Schritte sind auf dem knarrigen Holzboden zu
hören. Levy hält den Atem an. Sie ist im ersten Moment unfähig sich zu bewegen.
Zeitgleich weiß sie nicht was sie tun soll. Soll sie einfach aus ihrem Versteck
springen und ihn attackieren? „Angriff ist die beste Verteidigung!“, hatte
Gajeel ihr mal gesagt. Es war in jener gemeinsamen Woche als sie sich auf ihre
S-Rang-Magier-Auswahlprüfung vorbereitet hatten. „Angriff ist die beste Verteidigung…“,
verstärkt sie ihre Gedanken und sie nimmt ihren ganzen Mut zusammen.
Als hätte das Schicksal es gut mir ihr gemeint, hört sie die
Schritte genau in ihre Richtung kommen. „Das… das wird ein Überraschungsangriff!“,
schreit es in Levy und ihre Gedanken überschlagen sich. Im Grunde, sieht sie
das Kommende schon wie einen Film über Lacrima-Vision in ihrem Kopf ablaufen.
Wenn sie Glück hat, ist auch die Tür offen. Zumindest hat sie nicht gehört,
dass sie geschlossen wurde. Levy ist eine gute Läuferin, wenn sie ihm kräftig
eines mit dem Mopp-Stiel überbrät hat sie eine Chance!
Ihre Hände schließen sich fest um den Stiel und gerade als
die Tür zum Bad aufgezogen wird, springt sie mit einem „Heyaaaah!“, hervor und
attackiert ihren Entführer.
Ein Unterarm wehrt den Stiel energisch ab und die Wucht der
Abwehrbewegung lässt Levy im Schritt nach links taumeln. Der Stiel kracht zu
Boden und noch ehe sie ihr Gleichgewicht findet, erkennt sie diese schwarz
gekleidete Gestalt, an den Federn und dem pechschwarzen langen Haar.
Es sind Sekundenbruchteile in denen Levy mit offenem Mund
und geschocktem Gesichtsausdruck dasteht und ihr Gegenüber anstarrt. Sie setzt
zu Worten an, doch ihr versagt erst die Stimme. „G…Gajeel…“, es ist nicht mal
ein Hauch auf ihren Lippen, während sie ihre Waffe zu Boden fallen lässt und
sich einfach zu ihm hinwirft. „Oh Gott… du hast mich gefunden…“, schluchzt sie
auf und schlingt ihre dünnen Arme einfach um seinen Oberkörper, vergräbt ihr
Gesicht in seinem Shirt.
Gajeel ist wie erstarrt, lässt sie aber gewähren und rührt
sich nicht. Sein Körper versteift sich von Kopf bis Fuß. Er ist so angespannt,
dass es bereits schmerzt. Er tut nichts, er steht einfach da. Er erwidert nicht
mal ihre Umarmung oder legt beruhigend seine Hand auf ihren Kopf, so wie er es
sonst machen würde. Er ist nahe dran es zu tun, und doch ist er unfähig sich zu
bewegen. Wie hätte er auch mit so einer Reaktion rechnen können?
„Wie hast du mich gefunden? Sind die anderen auch hier
irgendwo? Oh, ich bin so froh dass du mich gefunden hast und mich hier weg
holst!“, es sprudelt nur so aus Levy heraus. All ihre Ängste und Verzweiflungen
der letzten Stunden. Sie hatte wirklich Angst, panische Angst hier ein Opfer zu
bleiben und ihre Familie nie wieder zu sehen. Aber nun wird alles gut. Jetzt wo
er sie gefunden hat…
Da bemerkt sie seine Haltung. Er ist wie ein Fels und doch
ist da etwas an ihm dass sie stutzig macht. Ein Unwohles Gefühl sucht sie heim
und so bremst sie sich in ihrer Begeisterung. Langsam und vorsichtig, drückt
sie sich etwas von ihm weg und schaut nach oben in sein Gesicht. Erst da fällt
ihr dieses leichte Zittern, seiner Muskeln unter ihren Händen, auf. Der
Ausdruck in seinem Gesicht, lässt sie allerdings erstarren.
Es ist eine Mischung aus Reue, Qual und ja… es ist
Verzweiflung. So hat er sie noch nie angesehen. So hat sie ihn ohnehin noch nie
gesehen. Zögernd nimmt sie ihre Hände von seiner Brust und geht mit zitternden
Knien auf Abstand.
„Ga…Gajeel… ist etwas passiert?“, fragt sie ihn zögernd und
da fällt ihr Blick auf die Kisten die im Wohnraum hinter ihm stehen. Ihr Blick
saugt sich an ihnen fest, besonders an der einen, deren Deckel weit genug offen
ist um den Inhalt zu identifizieren.
Es sind Bücher… und Levy meint sie als ihre eigenen zu
erkennen. Zumindest einen Teil davon. Jetzt kommt eines zum anderen. Wie ein
Puzzle setzt sich alles vor ihrem geistigen Auge zusammen.
Die Vorräte, die Hygieneartikel und das Haarshampoo im Bad…
man hat sie zugedeckt während sie schlief… welcher Entführer macht so was? Ihr
Entführer wollte scheinbar nicht dass sie friert, oder dass ihr an irgendetwas
fehlt. Er ist fürsorglich und hat an alles gedacht. Jetzt ihre Bücher, der
handfeste Beweis dass die Person sie kennt. Gut sogar. Besser als sie je auch
nur geahnt hatte. Levy ist kreidebleich im Gesicht, als sie realisiert, dass
sie ihrem Entführer gegenüber steht.
„W…warum…?“, es ist ein raues Krächzen, das sie aus sich
hervor quält und Tränen sich in ihren Augen sammeln. Unsicher und mit
deutlicher Angst, schaut sie zu ihm auf, genau in seine Augen.
Sein Blick ist wie gebrochen. Warum musste sie auch aus
ihrem Schlaf aufwachen? Gajeel hatte gehofft, alles erledigt zu haben, ehe sie
aufwacht. Er wollte ihr nicht mehr begegnen. Er wollte nicht, dass sie ihm
begegnet… er wollte sich nicht für seine Tat rechtfertigen und er wollte ihr
nicht mit seiner Anwesenheit noch mehr wehtun. Er hatte nur vor ihr eine kurze
Nachricht zu hinterlassen und dann zu verschwinden, um seine Mission anzutreten.
Sie wären sich nicht mehr begegnet, bis zu dem Tag an dem er
sie wieder befreien kann. Ob sie ihn dann hasst oder nicht, wäre ihm egal
gewesen. Hauptsache sie lebt. Nun hasst sie ihn bereits jetzt, wird sich mit
Hass verabschieden und ihn weiterhin hassen. Hätte er alles früh genug
erledigen können, hätte sie nur seine Nachricht gefunden und ihn aus der Ferne
hassen können. Eine direkte Konfrontation ist immer problematisch… und es
verursacht nur Schmerzen. Auch ihm und das missfällt ihm am meisten.
Ein Seufzen entkommt ihm und die Anspannung fällt mit einem
Mal von ihm ab. Jetzt ist es auch schon egal… nun konnte sie ihn gleich richtig
hassen wenn sie will. Vielleicht wäre es so für sie leichter?
„Das… brauchst du nicht zu wissen…“, antwortet er ihr nur
und Levys Augen weiten sich. „Sag mir was passiert ist!! Warum hast du mich
hergebracht?!“, schreit sie ihn nun an und die pure Verzweiflung ist ihr wie
ins Gesicht gemeißelt. Scharf zieht sie die Luft ein, als ihr Blick auf seine
linke Schulter fällt. „Wo… ist dein Gildensymbol?!“, fährt sie ihn an und
prallt zeitgleich noch etwas mehr von ihm weg.
Gajeel antwortet nicht. Nur ein wehmütiges Grinsen ziert
seine Lippen und er senkt seinen Blick. Er kann ihr nicht länger in die Augen
sehen. „Antworte! Was ist passiert?!“, fordert Levy ihn auf und wird zum Ende
hin wieder etwas leiser. „Bitte…“, flüstert sie und ihre Finger krallen sich in
den Saum ihres Rockes. „W…was hast du gemacht?“, hängt sie ihren Worten an, während
erste Tränen aus ihren Augen quellen und über ihre geröteten Wangen perlen.
„Raven Tail… sie sind aktiv geworden…“, antwortet er ihr
schlichtweg und wendet sich von ihr ab. „R…Raven Tail?“, wiederholt Levy und in
ihrem Kopf beginnt es zu arbeiten. „Du hast doch nicht…?!“, entkommt es ihr,
doch sie stoppt inmitten ihrer Vermutung. Gajeel zuckt bei ihrer Vermutung
leicht zusammen. „Nein… er würde Fairy Tail nicht verraten…“, denkt sie ihren
Gedanken zu Ende. „Vielleicht muss er untertauchen und hat sich das Symbol
deshalb entfernen lassen?“, kombiniert sie, denn auch das wäre möglich. Nach
den Magischen Spielen hatte der Meister ihnen den Sachverhalt und Gajeels
Mission von damals erzählt. Es wäre nur logisch wenn er jetzt, wo Raven Tail
wieder aufgetaucht ist, abtauchen und auf seinen Schutz achten würde.
„W…was haben sie gemacht?“, Levys Stimmt ist brüchig und
doch ist ihre Tonlage ernst. Gajeel hört ihre ehrliche Besorgnis heraus und
genau das war einer der Gründe warum er zu diesen drastischen Mitteln greifen
musste. „Tu was nötig ist…“, hallen wieder Makarovs Worte in seinem Kopf
wieder.
„Desto weniger du weißt, desto besser…“, hat er ihr kalt
geantwortet. „Hör auf! Sag schon! Was ist passiert?!“, fährt sie auf und macht
ein paar Schritte auf ihn zu. „Hat man dich bedroht? Dich angegriffen? Oder ist
die ganze Gilde in Gefahr?“, sprudelt es aus ihr heraus und die Verzweiflung
gewinnt allmählich die Oberhand. „U…und was hat das mit mir zu tun? Warum
sperrst du mich hier ein?!“, setzt sie nach und ihr Blick ist unnachgiebig auf
ihn gerichtet, in der Hoffnung er würde sie doch ansehen.
Nur kurz hebt Gajeel seinen Kopf und linst in ihre Richtung.
Es ist nur ein Atemzug, in dem sich ihre Augenpaare treffen. Mit einem Zischen
und zusammengebissenen Zähnen, wendet er seinen Kopf ruckartig von ihr ab. „Es
herrscht Krieg… und du bist hier gut aufgehoben“, erklärt er ihr und wendet
sich ab. Mit kraftlos erscheinenden Schritten entfernt er sich von ihr und
steuert die Tür an.
„W…warte!! Du kannst mich hier nicht einsperren! Wozu
überhaupt?! Ich will zur Gilde zurück! Wenn es wirklich zum Krieg kommt, muss
ich kämpfen!“, ruft sie aus und eilt stolpernd hinter ihm her. Sie umschlingt
seinen Arm und klammert sich fest an ihn. „Du kannst mich nicht hier lassen!
Das ist nicht fair!!“, begehrt sie auf und stemmt sich gegen seinen Zug.
Gajeels Geduld ist am Ende. Mit einer ruckartigen Bewegung
entzieht er ihr grob seinen Arm, worauf Levy zu Boden geht. „Der Krieg an sich
ist nicht fair! Also halt die Klappe! Du weißt gar nichts!!“, fährt er sie an
und seine Augen funkeln wie die eines wilden, in die Enge getriebenen Tieres.
Schnell wendet er sich wieder von ihr ab. Er erträgt diese Verzweiflung in
ihrem Blick nicht.
Levy fallen diese dunklen Ringe unter seinen roten Augen
auf. Seine ganze Körperhaltung wirkt irgendwie kraftlos und zerschunden. Er ist
müde… vielleicht von der ganzen Situation und der Vorbereitung die er hier
wegen ihr getroffen hat.
„Bitte… du… du kannst mich nicht im Ernst hier lassen…“,
versucht sie es auf ruhiger und vertraulicher Ebene. „Was wenn man mich hier
findet… wer beschützt mich denn wenn du meilenweit entfernt bist?“, redet sie
weiter und hofft ihn damit umstimmen zu können. „Wenn wir Seite an Seite
kämpfen, haben wir viel bessere Chancen…“, setzt sie nach und Gajeel hält im
nächsten Schritt inne. Er setzt zu Worten an, schweigt dann aber. Er ergreift
die Türklinke und ist im Begriff sie nach unten zu drücken. „Die Gilde wird
zurechtkommen… dafür sorge ich…“, antwortet er ihr tonlos und öffnet die Tür.
Levy stockt der Atem. Er wird sie tatsächlich hier zurücklassen!
„N…nein! Nein! Warte!!“, schreit sie auf und ist auf den Beinen. Mit ein paar
Sätzen eilt sie ihm hinterher und versucht noch einen Fuß zwischen die Tür zu
bekommen. Leider erfolglos. Er schiebt sie einfach zurück und schließt die Tür
vor ihrer Nase.
„Bitte! Du kannst mich nicht hier allein lassen!“, hämmert
sie mit ihren Fäusten gegen die Tür. „Um die Gilde mache ich mir keine Sorgen… aber
um dich, du Idiot!“, ruft sie aus und prallt erschrocken zurück als der Schlag
von Gajeels Faust das gesamte Türblatt zum Erbeben bringt.
„Halt endlich den Rand, hab ich gesagt…“, zischt Gajeel auf
der Außenseite der Hütte. Levy stockt der Atem, ehe sie ihre Hände wieder
vorsichtig an das Türblatt legt. „Bitte… ich…“, beginnt sie leise, aber Gajeel
schneidet ihr das Wort ab.
„Hör jetzt genau zu!“, fordert er sie auf und er meint Levys
scharfes Einziehen der Atemluft deutlich zu hören. „Du kannst kochen, oder?“,
fragt er sie und seine Stimme klingt neutral und fast so normal wie immer. Aber
es ist nicht normal. „Ja…“, antwortet Levy zögernd. „Du hast genügend Proviant
für zwei Monate. Wenn du sparsam bist, für drei. Wenn die Leitungen einfrieren,
nimm das Wasser aus den Kanistern, koch es aber in jedem Fall vorher“, erklärt
er ihr kalt und Levy linst zu den Kanistern neben den Proviant-Kisten.
„Ich komm dich abholen, wenn die Sache vom Tisch ist“,
verkündet er und ein seltsames Leuchten tritt in Levys Augen. „E…er kommt mich
abholen?“, fragt sie sich verunsichert und doch voller Freude zugleich. „Wenn
mir etwas zustößt, hebt sich die Verrieglung auf und du bist hier raus“,
versichert Gajeel ihr und Levy erschaudert.
„W…was bedeutet das… wenn dir etwas zustößt?“, fragt sie
sofort. Hebt sich seine Magie mit der er die Verriegelung erstellt hat auf, wenn
er schwer verletzt wird? Oder muss er dafür sogar sterben? „Gajeel! Bitte! Ich…
ich verstehe es nicht…!“, druckst sie herum und neue Tränen steigen ihr in die
Augen. „E…er hat an alles gedacht…“, schießt es ihr dabei durch den Kopf und
sie weiß, das es ihr nie gelingen wird ihn umzustimmen.
„In der letzten Schublade findest du ein paar Karten und
einen Kompass… das nächste Dorf ist einen halben Tagesmarsch von hier
entfernt“, erklärt er ihr und Levy lugt nach rechts zur Kommode. An der letzten
Schublade befindet sich ein Schloss, dessen Schlüssel bestimmt nicht in der
Hütte zu finden ist.
„Geh wohin du willst, aber kehre nicht nach Magnolia zurück!
Verleugne dass dir die Gilde Fairy Tail überhaupt je bekannt war! Hast du
verstanden?!“, so wie Gajeel ihr das sagt, klingt es wie ein Befehl und das ist
auch seine Absicht. „Hast du verstanden?!“, hakt er nach und seine Stimme
klingt wütend. „Ja… das verstehe ich alles… alles was du gesagt hast, aber…
aber…“, Levy beginnt zu schluchzen und Gajeels Fäuste ballen sich.
„W… warum? Warum sperrst du mich hier allein weg…?“, Levys
Frage ist wie ein Schlag mitten ins Gesicht. Ihr bedeutet diese Frage viel. Sie
hat erkannt, dass es keinen Sinn macht, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Es
ist immerhin Gajeel, der sie hier einsperrt. Aber sie würde wenigstens gerne
verstehen wollen, warum er nur sie in Sicherheit bringt?
„Bitte… Gajeel? Bist du noch da?“, fragt die Magierin
unsicher, da sie nun schon eine ganze Weile auf seine Antwort wartet. „Wie
schon gesagt… desto weniger du weißt, desto besser…“, antwortet er kühl, ehe er
sich von der Stelle löst. „Leb wohl…“, ist das Einzige dasss er ihr noch sagt
und es lässt in Levy ein Gefühlschaos ausbrechen.
„Bitte… Gajeel! Bitte geh nicht! Lass mich hier nicht
allein! Gajeel!!“, beginnt sie nun zu rufen und zu schreien, als sie bemerkt,
dass sich seine Schritte entfernen und er sie wirklich hier alleine zurücklässt.
Sie hämmert gegen die Tür, ruft seinen Namen und fleht ihn an, sie hier nicht
allein zurückzulassen.
Erfolglos.
Aufgelöst in Tränen und heftig um Atem ringend, krallen sich
ihre Finger bis zur Schmerzgrenze in die hölzerne Tür. „I…ich… ich liebe dich
doch…“, bringt sie schluchzend und zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch,
während sie langsam an die Tür gelehnt zu Boden rutscht. Er hört es nicht mehr
und Levy bereut, dass sie es ihm nicht schon längst gesagt hat…
Blut tropft von seinen geballten Fäusten, während er den
Trampelpfad zurück zum Wagen eilt. Warum musste sie auch wach sein?! Hätte sie
nicht schlafen können, bis er die Sachen abgelagert, ihr eine Nachricht
geschrieben und längst über alle Berge gewesen wäre?! Warum musste er sie noch
mal sehen? Warum musste das alles so kompliziert und schwer sein?!
Es fällt ihm jetzt nur noch schwerer sie hier zurück zu
lassen. Aber es ist nach wie vor die einzige Möglichkeit sie rauszuhalten und
zu schützen.
Dennoch ist es krank… ein kranker Plan, denn seine Gefühle
zu ihr selbst sind es die ihn krank machen. Er hat es schon länger bemerkt.
Dieses Gefühl das manche „Liebe“ nennen… es ist so tief in ihm, wie dieser
dunkle Abgrund in seiner Seele, der ihn zu solchen Aktionen überhaupt erst
aufruft.
Gajeel wollte das Risiko nicht eingehen dass sie zur
Zielscheibe wird. Dass man sie benutzt um ihn zu schwächen… oder dass sie dabei
gar umkommt! Er wird sie holen kommen, wenn er dann noch kann. Sollte er den
Tod finden, hat er für alles gesorgt. Sie wird frei kommen wenn das geschieht
und er weiß, dass sie sich dann selbst durchschlagen kann. Er weiß auch, dass
sie tun wird was er ihr gesagt hat.
Er hat sich für die Gegenseite, für Raven Tail, entschieden
und so sein Gildenzeichen verloren. Ein tiefes Knurren entweicht seiner Kehle,
als er sich daran erinnert und an den Vertrag, den er mit Ivan gemacht hatte.
Seine blutverschmierten Finger krallen sich an die Stelle, wo einst sein
schwarzes Fairy Tail Zeichen gesessen hatte.
Er hat sich gegen die Gilde entschieden, die er tatsächlich
sein „Zuhause“ nannte! In seinem ganzen Leben hatte er bis auf die Zeit bei
Metalicana kein wirkliches Zuhause gehabt. In Fairy Tail fand er diesen
Frieden… und nun musste er diesen Frieden aufgeben um ihn zu schützen und zu
bewahren. Es ist wie immer… es geht alles den Bach runter!
Aber noch ist nichts verloren. Fairy Tail hat ihm die Stärke
verliehen, auch den Mut zur Hoffnung zu haben. Und so tut er wie Makarov
persönlich es ihm geheißen hat.
Alles.
Er wird alles tun was nötig ist und wenn es seinen Tod
bedeutet!
Er wird mit seinen eigenen Händen dafür sorgen, dass sich
dieser Krieg zu Gunsten Fairy Tails entscheiden wird.
So zieht der Dragon Slayer in den Krieg, ist gewillt dem Tod
ins Auge zu blicken und weiß sein Liebstes in Sicherheit.
Open End
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Hui… so schnell habe ich wohl noch nie eine spontane Idee
umgesetzt. ^-^
Jedenfalls war das nun eine weitere Version von meinem
geliebten „Gajeel ist Doppelagent, steht zwischen den Fronten und will Levy mit
seinem Leben beschützen“ Schema… *hach*
Zudem ist es nun auch gleich mein erster OS im neuen Jahr
und ich hoffe er hat euch gefallen.
Und? Hat mit so einer Handlung irgendjemand von euch
gerechnet, nachdem ihr den Titel gelesen habt? Seid ehrlich! ^-^ *zwinker*
Vielleicht seid ihr nun auch von diesem „Open End“
irritiert?
Ich für meinen Teil, LIEBE offene Enden. Allein schon aus
dem Grund weil man sich selbst ausmalen kann, was noch passieren „könnte“…
*hach*
Das Kapitel, so wie ihr es gerade vor euch habt, ist so
gesehen also Abgeschlossen, Eigenständig und würde mit einem offenen Ende
verbleiben.
ABER, hätte ich noch so ein… zwei (oder vielleicht auch
drei) verschiedene Versionen von einem „Ausgang“ (also einem Ende) dieser
Geschichte im Kopf.
Ob und wann ich welche davon niederschreibe und als „Bonus“
veröffentliche, kann ich noch nicht sagen. ^-^* Lasst euch überraschen!
Des Weiteren, bleibt diese Geschichte ein einfacher OneShot
mit offenem Ende. Eine richtige Kapitel-FF wird daraus nicht werden. Da würde
mir etwas anderes vorschweben… huch! Fast verplappert…. *drop*
Ich wünsche euch auf alle Fälle nun mit dieser OS einen
guten Start ins neue Jahr und Hey: Man liest sich bestimmt in einer anderen FF
von mir wieder.
Ich freu mich auf euch!
Liebe Grüße und Danke,
eure Rave