Samstag, 12. Juli 2014

Schweigen ist Eisen (Leser-FF)


Sidestory zu meiner Fanfiction "Verzeih mir" 
Autor: Inu


Vorwort

Nun ja... ich weiß gar nicht, was ich hier so sagen soll. Rave hat mich gebeten, ein Vorwort zu schreiben, aber eigentlich mache ich so etwas bei meinen Geschichten nie.

Ich bedanke mich an dieser Stelle jetzt einfach mal bei Rave, denn ihre Geschichte hat es überhaupt erst möglich gemacht, dass ich diese kleine Sidestory schreiben konnte. Als ich ihre Story las, kamen in mir sofort die Gedanken auf, was denn in der Zeit passiert sein muss, in der Gajeel weg war und wie die anderen damit umgegangen sind. Dass Natsu und Gray, die ja zuerst auf Gajeel getroffen sind, damit umgehen, als wäre nichts gewesen, das ist keine Frage. Die beiden sind nunmal so einfach gestrickt. Aber was ist mit den anderen? Wie gehen sie damit um? Und vor allem natürlich Levy?

Hoffentlich konnte ich diese Frage ein wenig beantworten, indem ich diesen One Shot geschrieben habe. Für sich genommen ist er ziemlich traurig und lässt wohl auch traurige Einblicke in das Leben einiger anderer Mitglieder von Fairy Tail erhaschen. Die Zeit und die Trauer geht eben an niemandem spurlos vorbei. Aber wenn man dann Raves Geschichte liest und weiß, wie es ausgeht, dann hoffe ich doch, dass ihr die Tränen unterdrücken und das Happy End bei Rave genießen könnt!

Ich schätze, jetzt hab ich am Ende doch wieder ganz schön viel geschrieben habe, obwohl ich meinte, dass ich das nicht mache... so kann es kommen.

Zum Ende möchte ich euch allen viel Spaß mit der Geschichte wünschen und hoffe, dass ich dem ein oder anderen eine Freude damit machen konnte!

Euer Inu


Fanart von d-eliade



Schweigen ist Eisen
(Sidestory, 11.07.2014)


Als wollten die Wettergötter ihr einen Streich spielen, schien die Sonne heute so hell, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte.

Sie hätte sich Regen gewünscht, unter dem sie ihre Tränen hätte verdecken können, Nebel, der allen die Sicht auf ihre geröteten Augen nimmt, Wind, der ihr die Haare ins Gesicht bläst und so einen Vorhang schafft, mit dem sie sich von der restlichen Welt abschirmen kann... aber sie wurde mit gleißendem Sonnenlicht bestraft, das durch das große Fenster zu ihrem Bett drang. Ein leichter Wind umspielte die Vorhänge, ließ sie ein wenig flattern, als würde eine unsichtbare Hand an ihnen entlang fahren.
  
Und sie lag einfach nur da, die Decke über den Kopf gezogen und spürte, wie die Tränen über ihre Wangen rannen und sich auf dem Laken verteilten. Sie hatte jede wache Minute in dieser Nacht damit verbracht, die Tränen zu unterdrücken, sich dazu zu bringen, wieder zu schlafen, alle Stimmen in ihrem Kopf einfach zu ignorieren. Und die längste Zeit hatte sie damit auch Erfolg gehabt. Aber als sie zuletzt eingeschlafen war, hatte ihr Geist ihr einen Streich spielen wollen: Sie hatte von ihm geträumt. Hatte geglaubt, seine zarten Berührungen auf ihrer Haut zu spüren, seine Atem auf ihrem Hals, endlich wieder seine Lippen auf ihren zu spüren, die Lippen, nach denen sie sich so sehr gesehnt hatte, all die Jahre lang...

Doch er war nicht da.

Als sie aufgewacht war, allein in ihrem Bett, hatte sie es nicht mehr an sich halten können. Die Tränen begannen zu fließen, als hätte man tief in ihr ein Tor geöffnet und ließe nun allem, was sich so lange angestaut hatte, freien Lauf. Sie versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken, wollte wenigstens niemanden wecken, wenn sie schon die Kontrolle über sich selbst verlor. Und so weinte sie still, wie sie es in den letzten Jahren schon so oft getan hatte. Sie weinte bittere Tränen, die nur für sie allein bestimmt waren.

Als sie sich wieder gefasst hatte, war die Sonne bereits komplett aufgegangen und schien nun mit so einer Stärke in den Raum hinein, als würde sie nicht zulassen wollen, dass irgendjemand heute den Tag im Inneren verbrachte. Wie sie diesen dummen Feuerball dafür verfluchen könnte.

Langsam und schwerfällig schob sie die Decke beiseite und stieg aus dem Bett. Auf dem Weg ins Badezimmer ließ sie einfach ihr Nachthemd – eigentlich ein viel zu großes Shirt, das einst ihm gehörte, aber schon lange seinen Geruch verloren hatte – fallen und schlurfte nackt weiter. Erst eine kalte Dusche konnte ihre Sinne einigermaßen wecken. Danach zog sie sich ihre Unterwäsche an, wickelte ein Handtuch um ihren Kopf und entschied sich dazu, heute sogar mal wieder etwas Make-Up aufzulegen – nur das Beste für ihn, nicht wahr?

Als sie wieder in ihrem Zimmer angelangt war, führte ihr Weg sie direkt zu ihrem Kleiderschrank. Sie öffnete die Türen und griff hinein, hatte ein langes, schwarzes Kleid in der Hand – doch sie hängte es wieder zurück, nachdem sie es einen Moment lang angesehen hatte. Stattdessen schob sie die Kleider ein wenig zur Seite, schob sie auf der Stange immer weiter nach rechts, um an das Kleid zu kommen, das ganz links in ihrem Schrank hing, normalerweise von all den anderen Kleidern verdeckt.

Ein orangenes Kleid. Das, was sie anhatte, als er sie das erste Mal nach einer Verabredung gefragt hatte. Das, von dem er gesagt hatte, dass es ihr so gut stände, dass er sie am liebsten die ganze Zeit darin ansehen würde. Das, was sie auch anhatte, als er ihr den Ring übergeben hatte.

Als sie den Schrank wieder schloss, das Kleid in der Hand, fiel ihr Blick auf den Ring, den sie immer nach an ihrem Finger trug. Sie hatte schon oft überlegt, ihn abzulegen. Aber sie wollte es nicht. Nein, sie konnte es nicht. Den Ring abzunehmen... das, was ihre Verbindung beinahe besser symbolisierte als alles andere, das übertraf einfach ihre Kraft. Zu Anfang hatte sie immer gehofft, dass er zurückkommen würde, solange sie nur den Ring trägt. Sie hätte ihm dann sofort die frohe Botschaft erzählt und stolz den Ring emporgehoben, so wie sie es es alle auch jedes Jahr beim Erntefest mit dem Symbol ihrer Zusammengehörigkeit taten. Doch je mehr die Jahre vergingen, desto mehr wurde aus dem Ring an ihrer Hand eine Kette. Schweres Eisen, das sie zu Boden zerrte und dort ankettete, nicht mehr emporkommen ließ, egal, was sie auch tat. Sie hätte die Ketten sprengen können, den Ring abnehmen, sich befreien – aber das wollte sie nicht. Sie hatte immer darauf gehofft, dass er kommen und die Ketten lösen würde.

Doch er kam nicht.

Beinahe andächtig zog sie sich das Kleid an. Sie hatte es nicht mehr getragen, seit er damals gegangen war. Doch sie hatte es immer aufbewahrt, Löcher gestopft, die durch Motten und das Alter verursacht wurden und sie hatte es sogar einmal weiter genäht, als sie in ihrem Kummer etwas zugenommen hatte. Jetzt, wo sie wieder abgenommen hatte, wirkte es ein wenig zu groß, doch das machte ihr nichts aus. Sie legte einen Gürtel um und schnürte das Kleid so zurecht. Erst, als sie ihn schloss, merkte sie, dass es sein Gürtel war.

Nachdem sie noch einen Augenblick ihr Spiegelbild betrachtet hatte, verließ sie den Raum und schloss leise die Tür hinter sich. Sie ging in das Nebenzimmer und kniete sich neben das Bett, in dem ein kleiner Junge seelenruhig schlief. Seine schwarzen Haare, die im Licht der Morgensonne einen leicht blauen Schimmer hatten, waren so wuschelig, als hätte er in der Nacht gegen Drachen gekämpft. Sie musste bei dem Gedanken traurig Lächeln.

Ganz wie der Vater.

Sie gab dem Jungen einen sanften Kuss auf die Stirn und verließ den Raum dann wieder. Schloss auch hier hinter sich die Tür und blieb noch ein wenig davor stehen. War es die richtige Entscheidung, ihn nicht mitzunehmen? Sie musste es sein... sie wollte ihm nicht mit einem Wissen belasten, das er in seinem Alter noch nicht verstehen konnte. Irgendwann würde er es erfahren... irgendwann.

Einige Minuten später hatte sie sich wieder gesammelt. Sie holte noch einmal tief Luft, als würde sie gleich in tiefes Wasser springen, dann verließ sie das Haus.

Vor dem Haus wartete schon jemand auf sie. Eine blonde Frau, deren Haare zu zwei Zöpfen links und rechts zusammengebunden war, stand an einen Baum gelehnt und wartete. Sie musste schon länger dort gestanden haben, denn eigentlich waren sie schon früher verabredet gewesen. Aber sie hatte nicht geklingelt, weil sie wohl gewusst hatte, dass an diesem Tag Eile fehl am Platz war. Denn das, was sie gleich tun würden, wollte keine von ihnen.

„Bist du bereit?“, fragte die Blonde nun, kam mit einem verständnisvollen Lächeln auf sie zu.

„Kann man für so etwas bereit sein?“

Die Blonde antwortete nicht, schüttelte stattdessen nur mit dem Kopf. Sie bot ihre Hand an, die dankend angenommen wurde. Hand in Hand gingen sie nun den kleinen Pfad entlang, der von der Wohnung zur Hauptstraße führte. Dort warteten bereits andere vertraute Gesichter auf sie, schenkten ihr alle das gleiche verständnisvolle Lächeln, das auch die Blonde eben im Gesicht gehabt hatte. Ein Lächeln, das Wärme vermitteln sollte, aber das doch nur die Kälte verriet, die alle an diesem Tag in ihrem Herzen trugen.

In einer kleineren Gruppe gingen sie weiter ihren Weg entlang durch die Stadt. Noch war es ruhig, das morgendliche Treiben der Händler, die ihre Stände auf dem Markt eröffneten, war alles, was die Stille brach. Keiner von ihnen sagte ein Wort, keiner versuchte, sich zu unterhalten. Sie alle wussten, dass es nicht richtig gewesen wäre.

Nach einem etwas längeren Fußmarsch waren sie an ihrem Ziel angekommen. Sie standen nun alle am großen See, an dem sie vor so vielen Jahren gekämpft hatten. Sie selbst war damals nicht dabei gewesen, lag im Krankenhaus, weil er damals noch nicht der Mann war, den sie geliebt hatte. Die Liebe musste sich erst ihren Weg durch die Angst und die Furcht bahnen, bis sie ihre beiden Schicksale für immer verbinden konnte.

Ein älterer Mann wurde in einem Rollstuhl von einem großgewachsenen Blonden herangeschoben und schenkte ihr ebenfalls ein Lächeln und strich sanft über ihre Hand. Dann bedeutete er dem Blonden, dass er näher ans Wasser geschoben werden wollte, so, dass alle einen guten Blick auf ihn haben würden. Als das geschehen war, schaute er sich einmal um und nickte dann, bevor er die Stimme erhob. Diese bebte und krächzte ein wenig, als würde sie im nächsten Moment brechen, als würde der alte Körper nachgeben, doch noch hielt er stand.

„Ich sehe, es haben sich alle versammelt. Das ist gut.“

Er nickte bedächtig, bevor er fortfuhr: „Wir haben uns heute hier versammelt, weil es jetzt genau fünf Jahre her ist, dass wir einen aus unserer Mitte verloren haben. Er ging, um uns Ehre zu bringen, aber er blieb fort und hinterließ uns nur Trauer.“

Bereits jetzt füllten sich die Augen einiger Anwesender mit Tränen. Doch nicht ihre. Sie hatte genug geweint. Die Tränen heute morgen sollten ihre letzten gewesen sein.

„Das Gesetz will ihn jetzt für tot erklären, doch für uns wird er immer weiter leben. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass er noch irgendwo da draußen ist und zu uns zurückkommen wird.“

Jetzt begann auch er zu weinen. Dieser Anblick wäre sonst schon genug gewesen, um auch ihr Tränen abzuringen, denn sie konnte diesen Mann, der sie einst aufgenommen und groß gezogen hatte, nicht weinen sehen. Es brach ihr das Herz, es nun tun zu müssen. Und ihr Herz brach erneut, weil sie keine Träne deswegen vergießen konnte.

„Er war für mich wie ein eigenes Kind, so wie ihr alle...“, mit jedem Wort brach nun seine Stimme, wurde von Tränen fast erstickt, „Und er hat mir sogar noch einen Enkel geschenkt, bevor er verschwunden ist. Doch dieser Enkel wächst nun ohne einen Vater auf. Und so sehr ich mich auch immer bemüht habe... bei euch allen... kann unsere Familie doch nie den eigenen Vater ersetzen.“

Er begann nun zu krächzen und fürchterlich zu husten. Der blonde Mann neben ihm beugte sich besorgt zu ihm runter, wollte ihn schon aus dem Rollstuhl heben und wegtragen, doch wurde er mit einer starken Handbewegung abgewiesen. Das hier musste erst beendet werden. Ganz egal, in welchen Zustand das seinen Körper brachte.

„Und auf den Wunsch der Person hin, die ihn von uns allen am besten kannte...“, er nickte ihr zu und sie legte eine Hand auf ihr Herz und nickte zurück, „... haben wir, die wir ihn kannten, heute hier versammelt, um zu schwören, dass wir die Generationen nach uns ohne diesen Schmerz, den wir alle fühlen, aufwachsen lassen wollen.“

Er hob nun die Hand und die anderen taten es ihm gleich. Sie spreizten alle den Daumen und den Zeigefinger ab und reckten die Hand gen Himmel. Für eine Minute, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte und in der sie ihre Augen geschlossen hatte, verblieben sie so. Dann nahmen sie alle wieder den Arm herunter und sah sie betrübt an.

Einige gingen zu ihr, gaben ihr ein kleines Geschenk oder aufmunternde Worte mit auf den Weg, andere gingen wortlos und nickten ihr nur zu, als sie gingen. Der alte Mann wischte sich die Tränen ab, als er in dem Rollstuhl vor sie geschobene wurde und sie bückte sich, um ihn zu umarmen. Ihre blonde Freundin blieb bis zuletzt, wartete, ob sie ihr folgen würde, wurde dann aber von ihrem Ehemann an der Hand genommen und weggezogen, um ihr die Ruhe und den Freiraum zu gönnen, den sie brauchte.

Sie ging einige Schritte zum Wasser und setzte sich dort hin. In der Sonne, die nun hoch genug stand, um schon ihre wärmenden Strahlen über die ganze Stadt zu verteilen, sah der See aus wie ein leuchtendes Meer aus purem Licht. Wie gerne hätte sie diesen Anblick mit ihm gesehen. Wie gerne hätte sie noch so viele Dinge mit ihm zusammen erlebt...

Doch es sollte nicht sein.

Sie nahm eine Kette aus der Tasche, die ihr eben einer ihrer Freunde geschenkt hatte. Für einen Moment betrachtete sie diese Kette in ihrer Hand, schwenkte sie in der Handfläche umher und bewunderte das Glitzern des Metalls, bevor sie den Verschluss öffnete. Mit einem Ruck, als würde sie einen Stachel entfernen, zog sie daraufhin den Ring von ihrem Finger, fädelte die Kette hindurch und schloss diese hinter ihrem Hals.

Sie war noch nicht bereit, sich von seinem Ring zu trennen... aber sie wollte diese Last nicht mehr an ihrem Finger tragen. Sie durfte sich nicht von dieser Bürde zu Boden ziehen lassen, sie musste stark sein und weiterleben. Zu seinem Gedenken... für seinen Sohn.

Als ihr doch die Tränen kam, jetzt, wo sie alleine war und über all diese Dinge nachdachte, schloss sie die Augen und ließ sie ihre Wangen hinablaufen. Sie griff nach dem Ring an der Kette, führte ihn zu ihrem Mund und küsste ihn zärtlich.

„Leb wohl, Gajeel... ich werde dich immer lieben...“


Ende


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Meine Meinung:
Oh mein Gott... ist das nicht einfach... wunderschön?
Und so traurig... herzzerreißend... tragisch... tief bewegend und ja... WUNDERSCHÖN einfach.
Vielen vielen Dank lieber Inu dass du mir so eine schöne FF zukommen lässt und es ist eine große Ehre für mich das sie auf einer FF von mir berurht. Danke. *snif*

4 Kommentare:

  1. Okay, du schreibst super, das ist das erste, was mir einfällt.
    So richtig flüssig zum Lesen.
    Und die Story selbst...wenn ich nicht wüsste, wie Raves Story ausgeht, hätte ich wahrscheinlich angefangen zu weinen.
    Du hast es sehr gefühlvoll beschrieben. Wie Levy und die anderen unter Gajeels "Tod" leiden...
    Sehr schön, einfach nur sehr schön.
    Ich glaube Rave also sehr gerne, dass sie sich tierisch über deine Story gefreut hat ;D

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  2. Ahhh.... *heul*
    Gott sei Dank weiss ich, dass er wieder kommt.

    Eine wirklich tolle Sidestory.

    Liebe Grüße
    Rie

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  3. Einfach nur wow *-* da kann man sich richtig rein fühlen. Aber was Gray und Natsu betrifft, die haben als sie ihn das erste mal getroffen haben einfach alle Fakten ignoriert. Die sind gut... wie machen die das? Naja, vermutlich haben die eh nur das kämpfen und nicht Gajeel selbst vermisst.

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    1. Ja... mein lieber Inu hat das einfach grandios in eine FF gepackt... herrlich... allein wenn ich dran denke kommen mir schon die Tränen. ^-^`

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